Minden (mt). Während die Poseidon an der Schachtschleuse ablegt, formiert sich wenige Kilometer weiter schon der Protest. Auch am Tag seiner feierlichen Eröffnung ist der Regioport ein Zankapfel.
Wirtschaftliche Interessen stehen gegen die Bedürfnisse von Anwohnern. Von der ersten Idee für den neuen Hafen hat es fast 13 Jahre gedauert, bis gestern Bürgermeister Michael Jäcke (SPD), Ha-fengeschäftsführer Joachim Schmidt und Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann (CDU) auf der Kaje das rot-weiße Flatterband durchschneiden konnten. Stetig begleitet von lauten Protestrufen. Nur ein Teil davon richtet sich direkt gegen den Hafen. Deutlich lauter waren die Gegner einer neuen Bahntrasse, die wegen des Staatssekretärs den Weg an den Kanal gefunden hatten. Die Verzögerungen seien auch das Ergebnis der Proteste, sagt Joachim Schmidt in seiner Begrüßungsrede. Dabei übt er ungewöhnlich scharfe Kritik und macht die Bürgerinitiative verantwortlich für Mehrkosten in Höhe von 65.000 Euro. So teuer sei es, in der Bauphase Boden vorübergehend woanders zwischenzulagern und später wieder zum Regioport zurückzubringen. Der Grund ist ein juristischer Erfolg der Bürgerinitiative Bicon, die bis zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erfolgreich gegen den Bebauungsplan geklagt hatte. Die Baugenehmigung selbst aber blieb in Kraft und ist heute selbst Gegenstand eines noch laufenden Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster.
Am Bau des Hafens wird das Urteil voraussichtlich nichts mehr ändern, wie schon im Verfahren um den Bebauungsplan aus rein formalen Gründen. Und so überwiegt an Bord der Poseidon die Feierlaune. Die Redner sparen dabei nicht mit großen Worten. Der Regioport sei das Tor zur Nordsee, sagt Michael Jäcke, schon im ersten Bauabschnitt sei er eine zukunftsweisende Logistikdrehscheibe. Ferlemann setzt den neuen Hafen in einen größeren Kontext. Es sei ein Modellprojekt nicht nur für den kombinierten Verkehr, sondern auch für den geplanten Ausbau nach Bedarf. Berlin habe Minden in dieser Hinsicht im Blick, bekräftigt er im Anschluss auf Nachfrage. Auch Ferlemann geht mit den Bürgerinitiativen ins Gericht. Die Bundesregierung wolle den Güterverkehr von der Straße auf die Schienen und das Wasser bringen. Dafür erhalte die Politik auch regelmäßig viel Beifall. In der Praxis würde das dann aber immer öfter „aus egoistischen Motiven" von Bürgerinitiativen abgelehnt: „So ist heute leider die Kultur." Ferlemann verwies darauf, dass der Regioport mit 78,8 Prozent die höchstmögliche Förderquote bekommen habe. Insgesamt kostet der Hafen 23 Millionen Euro, 21,3 Millionen davon sind förderfähig. Knapp 16,6 Millionen kommen vom Bund - „gut angelegtes Geld", so Ferlemann. Der neue Mindener Hafen sei vor allem mit Blick auf die Zukunft ein wichtiger Umschlagplatz. Deutschland brauche ein ausgefeiltes Logistiksystem; um als relativ kleines Land im Wettbewerb bestehen zu können. Gerade auf den Wasserstraßen gebe es noch ein großes Ausbaupotenzial. Der „RegioPort OWL", wie er künftig offiziell heißen wird, soll die Hinterlandanbindung für Hamburg und vor allem Bremen sein. In dieser Hinsicht ist er nur ein Teil eines Gesamtpaketes, zu dem neben der neuen Schleuse auch die Mittelweser gehört. Doch genau dort, zwischen Minden und Bremen, hakt es noch. weil noch nicht alle Engpässe beseitigt sind. Die neuen Großmotorgüterschiffe können sich an diesen Stellen nicht begegnen. Auch hier verspricht Staatssekretär Ferlemann Abhilfe: Der Bund sei für die Mittelweser inzwischen allein zuständig, die verbliebenen neun Engstellen würden Schritt für Schritt abgebaut. Das Geld dafür sei bereits eingeplant.
Auf der anderen Seite des Zauns sehen die Menschen den Regioport anders. Bicon Sprecher Uwe Tönsing sagt, es zeuge von Ignoranz, den Hafen jetzt zu eröffnen. Seine Bürgerinitiative hatte den Bebauungsplan in allen Instanzen zu Fall gebracht, weil die Städte Minden und Bückeburg ihn nicht gemeinsam mit den Kreisen Minden-Lübbecke und Schaumburg hätten aufstellen dürfen. Ein formaler Fehler. Die eigentlichen Klagegründe sind daher gar nicht In das Urteil eingeflossen. Gleiches gilt für die Baugenehmigung, allerdings ist die Bicon hier In erster Instanz gescheitert weil sie nicht direkt betroffen und daher nicht klageberechtigt ist. Tönsing ist sich bewusst, dass der Hafen bleiben wird - auch wenn seine Initiative vor dem Verwaltungsgericht Erfolg haben sollte. Aber wir wollen erreichen, dass er zumindest nicht größer wird. Und er sieht bei der Klage gegen die Baugenehmigung durchaus Chancen, wenn es keine gültige Umweltverträglichkeitsprüfung gebe.
Inzwischen ist die Situation von Misstrauen geprägt. Es kämen kaum Schiffe am Regioport an, dafür gebe es 1.000 Lkw-Bewegungen pro Tag. Unmittelbar nach der Eröffnung meldet sich auch ein Leser in der Redaktion und weist darauf hin, dass lediglich vier Container abgeladen worden seien und das Schiff den Hafen unmittelbar im Anschluss verlassen habe. Joachim Schmidt bleibt auf Nachfrage entspannt. Der Hafen sei noch immer im Probebetrieb, erst im Oktober werde alles fertig getestet sein.
Regelmäßig zu Gast sein dürfte dann auch die „Esmee", die Im Linienverkehr der Firma Weser Container Express (WCX) unterwegs ist. Sie war bereits bei der Eröffnung der Weserschleuse in Minden und auch gestern wieder mit dabei. WCX ist neben dem Mindener Hafen und der Spedition Bobe auch einer der drei Gesellschafter der neuen Betriebsgesellschaft für den Regioport. Die beiden WCX-Geschäftsführer Hergen Hanke und Nico Steudel wollen Minden zum Start mit zwei bis drei Schiffen pro Woche ansteuern.
Für Joachim Schmidt hat sich die Entscheidung für den Bau des Hafens schon jetzt bestätigt. Mit einem Umschlag von 71.000 Standardcontainern (TEU) habe Minden im vergangenen Jahr bereits den für 2023 prognostizierten Wert erreicht. Und die 32.000 TEU in den ersten fünf Monate des laufenden Jahres seien ein weiterer Rekordwert.
Von Henning Wandel
(c) MT 2. Juli 2019